» Das ayurvedische Konzept der Srotas – Anatomie oder Energie?

Jahr: 2021
Sprache: Englisch, Deutsch

Srotas und viele Fragezeichen

Bereits seit vielen Jahrzehnten gibt es immer wieder Versuche, die Sanskrit-Fachbegriffe der Ayurveda-Medizin mit Begriffen der modernen Medizin zu übersetzen, bzw. sogar Konzepte des Ayurveda im Sinne der westlichen Medizin zu interpretieren oder mit Modellen der westlichen Medizin gleichzusetzen.

Die Motive dafür sind nachvollziehbar, man möchte der Ayurveda-Medizin angesichts der dominierenden westlichen Medizin mehr Geltung verleihen, möchte zeigen, dass bereits im Altertum moderne Erkenntnisse vorweggenommen wurden. Leider führen diese teilweise unsinnigen Versuche – Doshas werden beispielsweise mit Hormonen identifiziert – dazu, dass das Besondere ayurvedischen Denkens nicht verstanden wird und es zu gravierenden Fehlinterpretationen kommt.

Am Beispiel der Srotas werden Textstellen aus der Caraka-Samhita und der Sushruta-Samhita übersetzt, die zeigen, dass hinter diesem und den verwandten Begriffen komplexe Konzepte des Ayurveda stehen, die wahrscheinlich bis heute nicht richtig verstanden worden sind. Es ist wichtig, den klassischen Texten mit einer neuen Offenheit zu begegnen, scheinbar Sicheres und Selbstverständliches immer neu anzuzweifeln und zu hinterfragen.

Mit einem interdisziplinären Blick kann dann schrittweise erschlossen werden, in welche Richtung die Deutung gehen kann. Zu bedenken ist dabei, dass die Fachbegriffe des Ayurveda einerseits eindeutig definiert werden, andererseits aber in anderen Kontexten andere Bedeutungen – erweiterte oder variierte – besitzen können. Trotzdem müssen die Arbeitsdefinitionen sehr ernst genommen werden und dienen primär als erster Deutungsansatz.

So wurde für Srotas eine erste Spurensuche begonnen, die noch sehr rudimentär ist. Es tauchen mehr Fragen als Antworten auf. Auf der Reise ist es wichtig, dass der Blick des Ayurveda auf den Menschen immer von einem Hinschauen auf die Dynamik des Stoffwechsels geprägt ist. Anatomische Gegebenheiten sind für die klassischen Autoren weniger interessant und werden in den Texten nur kurz abgehandelt. Man möchte aber genau verstehen, wie die Lebensprozesse funktionieren, d.h. wie sich dynamische Veränderungen in der Zeit vollziehen. Dafür sind die Srotas wichtiger als gedacht.