» Manasa prakriti – Ayurveda-Epigenetik: Warum Vata, Pitta und Kapha nicht alles erklären können

Dr. Hans H. Rhyner

Jahr: 2017

Manasa prakriti – Ayurveda-Epigenetik: Warum Vata, Pitta and Kapha nicht alles erklären können
Dr. Hans H. Rhyner
Lange vor allen möglichen Traumata, vorgeburtlich, geburtlich und spätere, steht unser Grundcharakter fest. Diesen zur Kenntnis zu nehmen, ihn zu nutzen, wird uns viel schneller und weiterbringen, als der ständige Kampf in uns und mit uns selbst. Anstatt sich ein vorgegebenes Bild von anderen aufzwingen zu lassen, arbeiten Sie lieber mit dem Potential, das in Ihnen bereits angelegt ist. Woher stammen diese Kräfte in uns? Die Version der Ayurveda begründet auf dem Konzept, dass der feinstoffliche Körper (Manasa) zusammen mit der Seele (Purusha) den grobstofflichen Körper zum Todeszeitpunkt verlässt. Die Seele ermöglicht dem Geist im subtilen Zustand weiter zu existieren. Dabei bleiben die wichtigen, auf das Bewusstsein bezogenen Informationen erhalten und können sich in der nächsten Verkörperung als Charaktereigenschaften und Fähigkeiten wieder entfalten. Wer nichts am Hut hat mit den Konzepten von Karma und Reinkarnation, kann auf die zeitgenössische These der Epigenetik zurückgreifen. Dabei geht man davon aus, dass angeborene Charaktereigenschaften von unseren Vorfahren und der Umwelt, in der sie lebten, herstammen. In jedem Fall hat uns die Natur mit einem vorbestimmten Charakterwerkzeug ausgestattet. Wir müssen damit zurechtkommen, es nutzen lernen. Genau das ist der Sinn der Bestimmung der psychischen Konstitution (Manasa Prakriti).

Ich denke, es ist an der Zeit, dieser psychischen Konstitution mehr Beachtung zu schenken, denn besonders in urbanisierten Kulturen hat sich der Schwerpunkt von Krankheit stärker in Richtung Psychosomatik und psychische Erkrankungen verschoben. In der ayurvedischen Medizin war man immer schon auf eine exakte psychosomatische Diagnostik und Therapeutik angewiesen. Sie funktioniert nur, wenn wir die psychische Konstitution miteinbeziehen.

Im Gegensatz zur körperlichen Konstitution, wo eine gesunde Veränderung nicht möglich ist, besteht bei der psychischen Konstitution Spielraum zu Verbesserung Richtung Sattva. Das ist möglich, weil Sattva niemals eine krankmachende Wirkung besitzt. Eine Zunahme in Richtung Rajas und Tamas dagegen schon. In den Klassikern wird zwischen (a) konstitutionellem Sattva, (b) angeeignetem Sattva und (c) temporärem Sattva unterschieden. Ersteres gehört zur Grundstruktur des Charakters, das Zweite wurde über einen längeren Zeitraum angeeignet und bleibt auch erhalten, das Dritte kann nur kurzfristig aufrechterhalten werden, zum Beispiel bei einer Meditationssitzung.

Gerade hatte ich eine neue Klientin. Jeder Fragebogen, den sie bis anhin ausgefüllt hatte, ergab eine Vata oder Vatapitta Konstitution. Das ist definitiv falsch. Sie besitzt eine eindeutige Pitta Konstitution. Warum der Unterschied? Weil die meisten Fragebögen zu viele Fragen über psychologische und emotionale Eigenschaften abfragen. Diese Kundin besitzt einen ausgeprägt aktiven und emotionalen Geist. Das ist Rajas und dieses Rajas wird auf der physiologischen Ebene hauptsächlich das Vata vermehren. Wenn diese junge Frau nun den Ernährungsrichtlinien von Vata folgt, wird sie wegen ihrer Pitta Konstitution übersäuert und deutlich an Gewicht zunehmen. Beides wird ihre Gesundheit nachhaltig schädigen.